Der EU-Abgeordnete Michael Cramer engagiert sich seit 1989 für den Mauerweg.
Weshalb haben Sie sich für den Mauerradweg eingesetzt?
Die Wurzeln liegen in meiner Kindheit. Als ich als 11-Jähriger mit meinen Eltern das erste Mal in der DDR war, noch vor dem Mauerbau, sagte mein Vater: Das ist die gefährlichste Grenze der Welt. Das beeindruckte mich sehr. Zwei Jahre später war ich das erste Mal in Berlin und machte die ersten Mauer-Fotos an der Bernauer Straße. Und bei jedem Berlin-Besuch ging ich später dorthin und sah die Veränderungen. Die Ereignisse an der Berliner Mauer und was diese Grenze für die Stadt und ihre Menschen bedeutete, dürfen nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb hatte ich kurz nach dem Mauerfall die Idee, einen Radweg entlang der ehemaligen Grenze zu errichten. Die Grünen und viele Umweltverbände setzten sich dafür ein. Doch damals war ein solches Erinnerungskonzept nicht erwünscht, da hieß es von den Medien und den meisten Politikern: Die Mauer muss weg!
Was haben Sie gemacht?
Ich bin die Strecke vor und nach dem Fall der Mauer immer wieder abgefahren. Im Jahr 2001, anlässlich des 40. Jahrestags des Mauerbaus, griff die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus die Idee von 1989 wieder auf und brachte im Frühjahr eine Broschüre zum Mauerweg heraus. Parallel dazu leitete ich geführte Touren entlang der früheren Grenze, die sogenannten Mauerstreifzüge. Sie wurden sehr gut angenommen. Beim letzten Streifzug im August 2001 nahmen 250 Menschen teil! Im Herbst 2001 beschloss der Berliner Senat die „Initiative Mauerweg“, 2002 begann die Umsetzung. Und seit Mai 2007 ist der Mauerweg weitestgehend fertiggestellt.
Wie ist die Resonanz auf den Mauerradweg?
Jährlich nehmen etwa 1000 Menschen an den Mauerstreifzügen teil. Es sind immer wieder Leute dabei, die mir nach einer Tour sagen: „Ab jetzt fahre ich bei jedem Streifzug mit!“ Oder die danach die anderen Etappen auf eigene Faust zurücklegen. Der Wunsch, den gesamten Mauerweg einmal abgefahren zu sein, ist groß. Neulich hat mir wieder jemand gemailt, er habe die 160 Kilometer geschafft – ob es da nicht eine Urkunde gebe. Wenn ich in der Bahn sitze, sehe ich oft, wie Grüppchen auf dem Mauerweg radeln. Das Projekt ist offensichtlich sehr beliebt.
Was ist das Besondere am Mauerweg?
Er ist das einzige Projekt in Deutschland, das den sanften mit dem Städtetourismus verbindet, beides Branchen mit hohen Zuwachsraten. In Berlin kann man tagsüber die landschaftliche Idylle genießen, ohne am Abend auf den Opern- oder Theaterbesuch verzichten zu müssen. Außerdem bewahrt der Mauerweg die Erinnerung an die Spaltung der Stadt und deren Überwindung durch die friedliche Revolution in der DDR.
Interview: Kirsten Lange, Redaktion fairkehr